Seelenpflanzen – Die Heilkraft der Birke
(Von Thomas Lambert Schöberl – Heilpraktiker, Lehrer & Buchautor)
Der menschliche Körper ist hocheffizient: Unsere Nieren beispielsweise filtern täglich 180 Liter des sogenannten Primärharns aus unserem Blut. Nur rund ein Prozent wird dann als Urin ausgeschieden. Die Nieren entgiften unseren Organismus und regulieren unseren Blutdruck. Wenn uns etwas „an die Nieren geht“, sind wir tief betroffen und geschwächt. Wir haben unsere Balance verloren und sind wortwörtlich „nicht mehr im Fluss“.

Die Nieren und die ableitenden Harnwege symbolisieren das Wachstum und die Fähigkeit zur Veränderung. Sie verkörpern Fruchtbarkeit und den freien Fluss der Emotionen. In der Naturheilkunde ist der Mond der Herrscher über das Unbewusste und über die Wasser dieser Welt. Wenn wir bei abnehmendem Mond Aufgüsse oder Tinkturen aus Birkenblättern zu uns nehmen, stärkt und entlastet das unsere Nieren. Die durchspülende Kraft der Birke leitet sich ganzheitlich betrachtet von ihrer physischen Beschaffenheit ab. Die Birke ist bekannt dafür, dass sie sehr durstig ist. Sie ist extrem kälte-, wasser- und schneeresistent und einer der ersten Blüher im frühen April. Sie findet nicht nur bei Blasen- und Nierenleiden Anwendung, sondern auch bei mangelnder Abwehrkraft gegenüber Kälte, z. B. bei Gelenkrheuma, einem geschwächten Immunsystem oder Gicht. Sie zieht das Wasser aus unserem Körper und durchspült unseren gesamten Organismus. Über Jahrhunderte hinweg war die Birke der Mondgöttin geweiht, deren silberner Schimmer sich auf der weißlichen Rinde dieses schönen Baumes reflektierte. Bei den Waldvölkern Zentraleuropas versinnbildlichte die Birke eine Mittlerin zwischen der Welt der Menschen und der Unterwelt, der Geister und Dämonen. Sie verkörpert das Erwachen des Frühlings aus dem Schoß der Mutter Natur und war bei den Germanen der Baum der Frühlingsgöttin Ostara, deren Wagen von eine Hasengespann gezogen wurde. Im christlichen Brauchtum werden noch heute in weiten Teilen Niederbayerns zu Pfingsten und parallel zum in voller Blüte stehenden Frühling Häuser, Kirchen und Domplätze mit jungen Birkenzweigen geschmückt – Auferstehung, Wiedergeburt, Pfingstwunder und Neuanfang sind überall sichtbar und präsent. Der Mai und der Juni strotzen vor Lebenskraft. Nutzen Sie das Potenzial dieser überschäumenden Wachstumsphase!
Den Stress und die Angst wegatmen!
In den meisten Fällen sind die Beschwerden meiner Patienten multifaktorieller Natur und haben mehrere Ursachen. Die Verbindung zwischen seelischen Verletzungen und körperlichen Symptomen sichtbar zu machen, das ist Teil meiner täglichen Arbeit. Eines Tages besuchte mich ein Mann Mitte 30 in meiner Praxis, weil er in seinen noch jungen Jahren an Bluthochdruck litt. Er nahm auf Anordnung seines Hausarztes bereits eine beachtliche Dosis an Blutdrucksenkern. Häufiger Harndrang, nervöses Schwitzen und regelmäßige Magenschmerzen plagten ihn. Bei der Austestung seiner muskulären Spannung spürte ich eine starke Verkrampfung im Zwerchfell.
Das Zwerchfell ist ein kuppelförmiger Muskel, der am Brustbein, Rippenbogen und Lendenwirbel befestigt ist. Er ist der wichtigste Atemmuskel und trennt den Brustraum vom Bauchraum ab. Auch grenzt das Zwerchfell die linke Lungen- hälfte von Magen und Milz und die rechte Lungenhälfte von der Leber ab. Normalerweise sollte die sogenannte Zwerchfellatmung die Normalatmung sein. Solange wir entspannt und keiner übermäßigen Anstrengung ausgesetzt sind, atmen wir fast unwillkürlich mit dem Zwerchfell. Bei der Zwerchfellatmung bekommen wir unsere Lebensenergie. Ist das Zwerchfell hingegen verkrampft, geraten wir aus unserer Mitte, werden müde oder depressiv. Menschen, die viel Stress ausgesetzt sind, atmen oft nur noch mit den Lungenspitzen. Die Zwerchfellatmung ist aber sehr wichtig, um den Rückfluss des venösen Blutes zum Herzen hin zu gewährleisten. Eine chronische Verspannung in diesem Bereich blockiert unser Sonnengeflecht, unseren Lebensmut und sorgt für Stauungen im Fluss der Säfte. Unser Nervensystem steht dann durch falsche Atmung unter Dauerstress.
Chronisch-negative Emotionen machen krank
Während ich versuchte, durch Osteopressur am Brustbein Spannungen zu lösen, fragte ich meinen Patienten, ob ihn seine Kurzatmigkeit an Situationen in seinem Leben erinnert, die ihn seiner Luft zum Atmen berauben – oder ob seine Magenschmerzen in Verbindung mit Schuldgefühlen sich selbst oder anderen gegenüber stünden. Als ich ihm dann mitteilte, dass bei der Berührung seines Sonnengeflechts das Bild eines schweren Lastenträgers vor mein inneres Auge trat, begannen urplötzlich Tränen zu fließen. Er erzählte mir, dass er bis heute als das einzige Kind seiner Eltern unter den Schuldgefühlen leiden würde, Grund für die Unzufriedenheit und die depressive Verstimmung seiner Mutter zu sein. Mit Anfang 30 war er immer noch alleinstehend und ohne stabilen Freundeskreis, weil ihn die Vorwürfe und Ängste seiner Mutter über Kindheit und Jugend hinweg emotional erpresst hatten: Egal ob er für Studium, Beruf oder eine Frau die Heimat verlassen wollte, seine Mutter setzte ihn damit unter Druck, dass sie eine Trennung nicht überleben könnte. Jede Verschlechterung ihres Zustandes hatte der junge Mann auf sein eigenes Handeln projiziert. Ein individueller Lebensweg – Ausprobieren, Scheitern, Aufbrechen und Zurückkehren – wurde ihm durch den emotionalen mütterlichen Druck verwehrt. Schon als Kind musste er seiner Mutter als Partnerersatz, bester Freund, Arzt und Sündenbock der eigenen Machtlosigkeit dienen. Die vielen Ängste seiner Mutter hatten sich auf ihn übertragen und raubten ihm die Luft zum Atmen. Selbstliebe und Selbstannahme waren ihm nie möglich gewesen, und über die Jahre hinweg wichen Angst und Ohnmacht einer für ihn bisher undefinierbaren, aber stetig wachsenden Wut. Seine Schuldgefühle entwickelten sich zu einem Zorn gegenüber dem Leben, der Gesellschaft und der Welt. Frust, Eifersucht und Geiz machten sich in ihm breit. Dieser Zorn fand kein Ventil, staute sich an und wurde immer nur stillschweigend „geschluckt“. Die Passivität und der Rückzug seines Vaters machten die Situation nicht besser.
Genesung – ein Prozess der Ganzwerdung
Für ein solch intimes Gespräch muss ein großes Vertrauen vonseiten der Patienten vorhanden sein. Ich empfahl dem Patienten eine professionelle Therapie bei einem Psychotherapeuten und begleitete ihn mit einer Osteopressur, um die Verspannungen in seiner Muskulatur zu lösen. Durch Atemübungen, eine ganzheitliche Ernährungsumstellung und schleimbildende Heilpflanzen konnten wir seine Magenschmerzen und sein Körpergewicht reduzieren. Mehrmalige Aderlässe nach Hildegard von Bingen, die Einnahme des blutdruckregulierenden und angstlösenden Weißdorns, der Verzehr von Knoblauch, die Verschreibung der homöopathisch aufbereiteten Brechnuss, eine regelmäßige Bewegungstherapie in meiner Praxis und der eifrige Konsum von Sellerie und Roter Bete senkten seinen Blutdruck so nachhaltig, dass er nach Rücksprache mit seinem Hausarzt auf die weitere Einnahme seiner Blutdrucksenker verzichten konnte. Doch seine ganz besondere Seelenpflanze wurde die Birke. Bei gemeinsamen Spaziergängen ernteten wir Birkenknospen und Blätter. Der Genuss von Birkensaft und Tee brachte seine Säfte in neuen Fluss und ermöglichte ihm einen Zugang zu seinen Gefühlen. Die mütterliche Energie der Birke korrespondierte mit seiner Geschichte – sie nährte, spülte und befreite seinen Körper und seine Seele von all den angestauten und unterdrückten Energien. Mit der Reduzierung seiner Nervosität und seiner inneren Anspannung verschwanden übermäßiger Harndrang und Schwitzen. Heute geht es dem Patienten besser, und er macht große Fortschritte darin, für seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche einzustehen und diese auch einzufordern.
Weiterführende Literatur: T. Lambert Schöberl: Grüne Seelen. Über die Weisheit der Natur, Mankau, Murnau a. Staffelsee 2021